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Vom Teufelskreis zum Engelskreis: Ein Ausweg aus der Spirale

Manchmal scheinen Konflikte wie von selbst zu entstehen: Ein missmutiger Blick, ein ungehaltener Kommentar – und schon steckt man mitten in einer Spirale aus Vorwürfen und Rechtfertigungen. Diese Mechanik, in der sich negative Verhaltensweisen immer weiter verstärken, nennt man einen Teufelskreis. Doch genau wie sich Probleme hochschaukeln können, gibt es auch den umgekehrten Weg: Situationen, in denen positive Worte und Handlungen eine Dynamik des Vertrauens und der Zusammenarbeit entstehen lassen. Der Schlüssel liegt darin, diese Muster zu erkennen und zu gestalten. Ein Beispiel aus dem Büroalltag zeigt, wie das gelingen kann.

Blog Teufelskreis und Engelskreis

Es ist Montagmorgen im Büro. Lisa steht vor dem Schreibtisch ihres Kollegen Max und runzelt die Stirn. „Der Bericht ist immer noch nicht fertig?“ fragt sie, und ihre Stimme klingt mehr frustriert als neugierig. Max hebt den Kopf, sein Gesicht eine Mischung aus Entschuldigung und Trotz. „Ich hab doch schon gesagt, dass ich gestern nicht fertig geworden bin“, murmelt er und wendet sich wieder seinem Bildschirm zu. Lisa schnaubt leise und denkt: Schon wieder bin ich diejenige, die alles im Griff haben muss.

Was hier geschieht, ist nicht nur ein Missverständnis zwischen zwei Kollegen. Es ist der Beginn eines klassischen Teufelskreises. Solche Muster, in denen sich negatives Verhalten gegenseitig verstärkt, sind so verbreitet wie hartnäckig – und sie können Beziehungen belasten, ob im Büro, in der Familie oder im Freundeskreis. Doch sie sind kein Schicksal. Jede Spirale kann durchbrochen werden – und sogar in ihr positives Gegenstück, den Engelskreis, verwandelt werden.

Wie Teufelskreise entstehen

Ein Teufelskreis beginnt meist mit einer kleinen Unzufriedenheit. Im Fall von Lisa und Max ist es die verspätete Abgabe des Berichts. Lisa fühlt sich verantwortlich, Max unter Druck gesetzt. Sie macht ihrem Ärger Luft, worauf Max sich kritisiert und kontrolliert fühlt. Seine Reaktion – Verteidigung und Rückzug – verstärkt wiederum Lisas Frustration. Die Kommunikation gerät ins Stocken, die Spannungen nehmen zu. Beide erleben das Verhalten des anderen als Ursache des Problems und ihr eigenes nur als Reaktion darauf.

Solche Dynamiken sind nicht ungewöhnlich. Der Kommunikationspsychologe Schulz von Thun beschreibt sie als einen Kreislauf von Aktion und Reaktion, der irgendwann nicht mehr auflösbar scheint: Wer hat angefangen? Und spielt das überhaupt eine Rolle?

Die Mechanik von Teufels- und Engelskreisen

Teufelskreise sind eine Form der positiven Feedbackschleife – allerdings mit negativem Inhalt. Jede Handlung verstärkt die nächste, und die Situation eskaliert. Doch derselbe Mechanismus funktioniert auch umgekehrt: In einem Engelskreis verstärken sich positive Signale, und es entsteht ein Kreislauf des Vertrauens und der Zusammenarbeit.

Ein Beispiel aus Lisas und Max’ Situation: Hätte Lisa statt eines Vorwurfs gesagt: „Ich weiß, dass du viel zu tun hast. Kann ich dich bei irgendetwas unterstützen?“ – hätte Max sich möglicherweise wertgeschätzt gefühlt. Seine Antwort wäre womöglich: „Danke, das wäre großartig.“ Dieses Gespräch könnte zu einem Engelskreis führen, in dem beide das Gefühl haben, dass sie einander helfen und vertrauen können.

Vom Teufelskreis zum Engelskreis

Der Weg aus einem Teufelskreis erfordert oft nur eine kleine Änderung – einen bewussten Schritt aus dem automatischen Muster. In Lisas Fall hätte es bedeutet, ihren ersten Impuls – den Vorwurf – zu hinterfragen und stattdessen einen konstruktiveren Ansatz zu wählen. Doch auch Max hätte die Spirale durchbrechen können, indem er auf Lisas Ärger mit Verständnis reagiert: „Ich weiß, dass das gerade ärgerlich ist. Ich verspreche, den Bericht so schnell wie möglich fertigzustellen.“

Jede dieser Veränderungen setzt eine neue Dynamik in Gang. Das Verhalten der einen Person beeinflusst die Reaktion der anderen, und plötzlich ist Raum für neue, positive Muster.

Warum Veränderungen schwerfallen

Der Einstieg in einen Engelskreis erfordert oft Überwindung. Es bedeutet, gewohnte Muster zu hinterfragen und bewusst anders zu handeln – selbst wenn der erste Impuls etwas anderes diktiert. Das ist schwer, weil viele dieser Muster tief in unserer Persönlichkeit und unseren Erfahrungen verwurzelt sind. Lisa beispielsweise hat vielleicht gelernt, dass sie nur dann Kontrolle behält, wenn sie alles überwacht. Max könnte aus früheren Erfahrungen mit Kritik den Reflex entwickelt haben, sich zurückzuziehen.

Doch gerade in solchen Momenten liegt die Chance für Veränderung. Indem eine der beteiligten Personen bewusst aus der Spirale ausbricht, verändert sie nicht nur ihr eigenes Verhalten, sondern auch das des Gegenübers. Diese Veränderung mag klein erscheinen, doch sie hat das Potential, eine neue Dynamik zu schaffen.

Zurück zu Lisa und Max

Stellen wir uns vor, Lisa entscheidet sich, anders zu reagieren. Statt Max zu kritisieren, sagt sie: „Ich verstehe, dass du unter Druck stehst. Wie können wir das gemeinsam schneller hinbekommen?“ Max schaut überrascht auf, spürt aber sofort die Veränderung. „Danke“, sagt er. „Ich hab den Überblick verloren, aber wenn du mir kurz hilfst, können wir das gleich abschließen.“

Dieser Austausch markiert den Beginn eines Engelskreises. Lisa zeigt Verständnis, Max reagiert mit Offenheit, und beide erleben die Zusammenarbeit plötzlich als partnerschaftlich und produktiv. Die Dynamik, die eben noch Konflikte geschaffen hat, wird nun zu einem Katalysator für positive Veränderung.

Fazit: Dynamiken erkennen und steuern

Ob im Büro, in der Familie oder in anderen Beziehungen: Teufelskreise und Engelskreise sind allgegenwärtig. Der Schlüssel liegt darin, diese Muster zu erkennen und bewusst zu gestalten. Ein einziger Schritt – ein freundliches Wort, ein Moment des Zuhörens oder ein Angebot zur Unterstützung – kann genügen, um die Dynamik zu verändern und eine positive Spirale in Gang zu setzen.

Der Weg mag nicht immer leicht sein, doch er lohnt sich. Denn am Ende profitieren alle Beteiligten – nicht nur von einem besseren Miteinander, sondern auch von der Gewissheit, dass jeder Konflikt eine Chance zur Veränderung birgt.