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Kompetenzfeldanalyse – Aufräumen, sortieren, neue Wege entdecken
Manchmal kommt er ganz leise, manchmal mit voller Wucht: der Moment, in dem klar wird, dass sich etwas verändern muss. Der Job fühlt sich nicht mehr stimmig an, die Motivation ist erlahmt, oder es entsteht der Eindruck, an den eigenen Potenzialen vorbeizuleben. Vielleicht ist es nur eine leise Unzufriedenheit, vielleicht auch der feste Entschluss, etwas Neues zu wagen. Doch bevor es darum geht, Entscheidungen zu treffen oder Wege zu planen, lohnt sich ein Schritt zurück: eine Standortbestimmung. Genau an dieser Stelle setzen wir im Coaching mit der Kompetenzfeldanalyse an.

Was die Kompetenzfeldanalyse leistet
Die Kompetenzfeldanalyse ist ein strukturiertes Werkzeug, das dazu dient, sich die eigenen Fähigkeiten, Talente und Ressourcen bewusst zu machen – differenziert, reflektiert und mit dem Blick auf das, was bereits da ist. Dabei geht es nicht um eine Liste von Kompetenzen im klassischen Sinne, sondern um ein persönliches Kompetenzprofil, das sowohl fachliche als auch methodische, soziale und personale Aspekte umfasst. Diese Analyse schafft ein Fundament, auf dem Entwicklung aufgebaut werden kann – sei es in Form konkreter beruflicher Schritte oder als Grundlage für eine tiefere Selbstvergewisserung.
Vier Kompetenzfelder als Orientierungsrahmen
Zentraler Bestandteil des Ansatzes ist ein Vier-Felder-Modell, das sich in der Coachingpraxis vielfach bewährt hat. Es unterscheidet zwischen Fachkompetenz (also dem beruflichen Know-how und dem erlernten Wissen), Methodenkompetenz (wie jemand Aufgaben angeht und Probleme löst), Sozialkompetenz (der Umgang mit anderen Menschen) und personaler Kompetenz (der Umgang mit sich selbst). Diese Einteilung ermöglicht es, das breite Spektrum an Fähigkeiten differenziert zu erfassen – auch solche, die oft übersehen werden, weil sie selbstverständlich erscheinen oder sich nicht in einem Zeugnis wiederfinden.
Der Ablauf im Coachingprozess
Der Ablauf der Kompetenzfeldanalyse beginnt in der Regel mit einer vorbereitenden Reflexion. Coachees erhalten ein Arbeitsblatt mit Leitfragen, die dabei helfen, erste Gedanken zu ihren Kompetenzen zu sammeln – häufig zwischen zwei Sitzungen. In der gemeinsamen Arbeit im Coaching werden diese Notizen dann weiterentwickelt. Wir schauen gemeinsam hin: Welche Fähigkeiten lassen sich in welchem Feld verorten? Welche Formulierungen beschreiben wirklich ein Können – und was ist vielleicht eher eine Haltung oder eine persönliche Eigenschaft?
Ein wichtiger Aspekt dabei ist die sprachliche Präzision. Statt allgemeiner Aussagen wie „Ich bin teamfähig“ oder „Ich bin kreativ“ geht es darum, konkrete Handlungen und Situationen zu beschreiben, die diese Kompetenzen greifbar machen. So wird aus „kreativ“ vielleicht: „Ich entwickle eigenständig neue Herangehensweisen für komplexe Aufgabenstellungen.“ Oder aus „teamfähig“: „Ich kann Konflikte im Team frühzeitig wahrnehmen und spreche sie lösungsorientiert an.“ Diese Verfeinerung der Selbstbeschreibung hat nicht nur klärende Wirkung, sondern stärkt zugleich das Selbstbewusstsein der Coachees.
Kompetenzen sichtbar machen – auch jenseits des Lebenslaufs
Oft zeigt sich im Verlauf des Prozesses, dass Menschen über weit mehr Kompetenzen verfügen, als sie selbst vermutet hätten. Gerade in Übergangsphasen oder nach längeren Auszeiten (z. B. Elternzeit, Krankheit, Pflegezeiten) ist es zentral, den eigenen Kompetenzraum neu zu vermessen – inklusive der Erfahrungen, die außerhalb klassischer Erwerbsarbeit gesammelt wurden. Hier wirkt die Kompetenzfeldanalyse wie ein Sortier- und Klärungstool: Sie bringt innere Klarheit über das, was man kann, was man gelernt hat – und was man künftig (wieder) einbringen möchte.
Von der Analyse zur Entscheidungsperspektive
Neben der systematischen Erfassung spielt auch die emotionale Bewertung eine Rolle. Denn nicht jede Kompetenz, die jemand gut beherrscht, soll auch weiterhin im Mittelpunkt stehen. Deshalb wird im Verlauf der Analyse deutlich: Welche Fähigkeiten sind nicht nur da, sondern auch relevant für die eigene Zukunft? Welche möchte man aktiv einsetzen? Welche haben vielleicht eine Zeit lang gut gepasst, dürfen aber jetzt in den Hintergrund treten?
Aus dieser Reflexion entsteht eine erste Skizze möglicher Entwicklungsperspektiven. Im Coaching sammeln wir Optionen – nicht im Sinne eines perfekten Plans, sondern als Möglichkeit, unterschiedliche Wege zu denken. Welche Tätigkeiten oder Rollen würden gut zu den bevorzugten Kompetenzen passen? Wo lassen sich bestehende Stärken sinnvoll einbringen – in der aktuellen Organisation oder außerhalb? Was könnte, ganz konkret, ein nächster Schritt sein?
Ambivalenzen zulassen und Entwicklung fördern
Ein besonderer Wert der Kompetenzfeldanalyse liegt darin, dass sie nicht auf Optimierung zielt, sondern auf Bewusstmachung. Sie ist kein Testverfahren und kein Raster, das Menschen in Kategorien presst. Vielmehr lädt sie zur Auseinandersetzung mit der eigenen beruflichen Biografie ein – und schafft dabei einen Raum, in dem auch Ambivalenzen Platz haben. Viele Coachees stoßen auf Widersprüche: Fähigkeiten, die man gut beherrscht, aber nicht mehr einsetzen möchte. Interessen, die bisher keinen Raum bekommen haben. Konflikte zwischen äußeren Erwartungen und innerem Antrieb. Diese Spannungsfelder sind keine Hindernisse – sie sind Hinweise auf Entwicklungsthemen, die ernst genommen werden wollen.
Ein persönlicher Kompass für berufliche Entwicklung
Am Ende steht kein fertiges Ergebnis, sondern ein differenziertes Bild. Ein Kompetenzprofil, das Orientierung gibt. Ein neuer Blick auf das, was schon da ist – und auf das, was daraus werden kann. Die Kompetenzfeldanalyse ist deshalb ein kraftvolles Instrument in der Begleitung von Menschen, die aufbrechen wollen: nicht ins Ungewisse, sondern mit mehr Klarheit über die eigenen Ressourcen und Möglichkeiten.