Geschätzte Lesedauer 5 Minuten
Ärger im Alltag: Mit dem Ärgerprotokoll zu mehr Gelassenheit
Ärger ist ein alltägliches Gefühl, das jeder kennt. Ob der Kaffee morgens im Büro verschüttet wird oder ein Kollege im Großraumbüro lautstark in sein Telefon spricht, während man versucht, sich zu konzentrieren – es sind oft die kleinen Dinge, die den Puls steigen lassen. Aber statt über den verschütteten Kaffee zu lamentieren oder sich über den Kollegen zu ärgern, der mal wieder lautstark in sein Telefon spricht und alle anderen ablenkt, könnte man einen neuen Ansatz ausprobieren: das Ärgerprotokoll. Dieses Coaching-Tool fördert nicht nur Gelassenheit, sondern bietet auch die Chance, Überraschendes über sich selbst zu lernen und gezielt neue Verhaltensweisen zu entwickeln.
Eine alltägliche Situation im Ärgerprotokoll
Es ist Montagmorgen. Der Wecker klingelt, und noch halb im Schlaf kommt die erste Erkenntnis: Das Teammeeting ist für 9:00 Uhr angesetzt. Keine Zeit für das gemütliche Frühstück, das an diesem Tag vielleicht bitter nötig gewesen wäre. Stattdessen: Marmeladenbrot auf die Hand, Tasche schnappen und raus zur Bahn. Die Uhr tickt, und man hat das ungute Gefühl, dass jede Sekunde zählt. Im Kopf laufen bereits die Themen des Meetings durch – man will vorbereitet sein, nichts verpassen und natürlich pünktlich erscheinen.
Mit einem schnellen Schritt und leicht erhöhtem Puls erreicht man den Konferenzraum. Es ist 8:59 Uhr. Perfekt! Doch der Raum ist leer. Die Minuten ziehen sich wie Kaugummi. Um 9:05 Uhr tauchen die ersten Kollegen gemächlich auf, einen dampfenden Kaffee in der Hand und ein entspanntes „Guten Morgen“ auf den Lippen. Um 9:10 Uhr erscheint der Moderator und wirft einen Blick auf die Uhr: „Gut, dann warten wir noch ein bisschen, bis alle da sind.“
Die Minuten verstreichen weiter. 9:15 Uhr, 9:20 Uhr – immer noch fehlen einige Teilnehmer. Gespräche über das Wochenende füllen die Zeit. 9:30 Uhr: Endlich sind alle da, und der Moderator beginnt, hektisch durch die Agenda zu klicken. „Wir müssen jetzt etwas Gas geben“, heißt es. Aber die wichtigen Themen? Keine Chance, die Zeit reicht nicht. Das Meeting endet schließlich um 10:10 Uhr, mit dem Gefühl, dass vieles ungesagt oder ungeklärt bleibt. Und da sitzt man nun – wütend auf sich selbst, dass man sich so gestresst hat, wütend auf die Kollegen, die so entspannt erscheinen, und wütend auf die Gesamtsituation. Zeit für das Ärgerprotokoll:
- Was hat geärgert?
- Die eigene Pünktlichkeit wurde nicht wertgeschätzt. Andere kamen zu spät, und dadurch wurde der Zeitplan ruiniert. Trotz aller Bemühungen war das Meeting ineffizient.
- Was waren die Gründe?
- Hinter der Wut stecken zwei zentrale Bedürfnisse: Respekt für die eigene Zeit und der Wunsch nach Struktur. Zusätzlich schwingt die Enttäuschung mit, dass Pünktlichkeit anscheinend kein gemeinsamer Wert ist.
- Wie wurde reagiert?
- Zunächst mit einem angestrengten Lächeln, das die innere Frustration kaum verbergen konnte. Dazu kam ein ungeduldiges Trommeln mit den Fingern und ein demonstrativer Blick auf die Uhr. Vielleicht auch ein leises Seufzen, das doch niemand registriert hat.
- Wie wäre die Wunschreaktion?
- Statt die Wut in sich hineinzufressen, könnte man freundlich, aber direkt ansprechen, dass Pünktlichkeit allen zugutekommt. Zum Beispiel: „Es wäre super, wenn wir nächstes Mal pünktlich starten könnten, damit wir genug Zeit für alle Punkte haben.“
- Oder, um die Situation zu entkrampfen, könnte man humorvoll anmerken: „Ich wusste gar nicht, dass wir eine gleitende Startzeit haben.“
- Wie kann das geübt werden?
- Beim nächsten Meeting bewusst die eigene Wahrnehmung kommunizieren – ohne Vorwurf, aber klar. Und falls es doch wieder später losgeht: Die Situation als Übung für Geduld und Gelassenheit nutzen.
Die Magie der Reflexion
Nach einigen Wochen der Ärgerprotokollführung zeigt sich: Der eigene Ärger ist oft eine Mischung aus hohen Erwartungen an andere und der Schwierigkeit, Unvollkommenheit zu akzeptieren. Aber genau hier steckt das Potenzial zur Veränderung. Vielleicht braucht es nur ein klärendes Gespräch mit dem Team, oder man nimmt sich selbst vor, die eigenen Erwartungen anzupassen. Die Erkenntnis: Der Ärger ist nicht das Problem, sondern eine Einladung, genauer hinzusehen.
Wenn das Ärgerprotokoll zur Verhaltensänderung führt
Mit einer Portion Humor und der Bereitschaft zur Selbstreflexion entsteht ein neuer Ansatz: Statt sich jedes Mal zu ärgern, wird die Herausforderung angenommen. Gespräche mit dem Team über Pünktlichkeit? Check. Einmal bewusst selbst ein bisschen „später“ kommen, um zu sehen, wie es sich anfühlt? Auch das könnte helfen.
Und siehe da – manchmal reicht ein einzelner Satz, um etwas zu verändern: „Wie wäre es, wenn wir alle um 9:00 Uhr hier sind? Dann bleibt uns genug Zeit, die wichtigen Punkte in Ruhe zu besprechen.“
Fazit: Gelassenheit übt sich im Alltag
Das Ärgerprotokoll als Coaching-Tool ist kein Zauberstab, aber eine effektive Methode, den Alltagsärger in kleine Lektionen der Selbstverbesserung zu verwandeln. Es hilft, Ärger bewusst wahrzunehmen, ihn zu reflektieren und konstruktiv damit umzugehen. Und wenn das nächste Meeting wieder spät startet, bleibt immer noch der Gedanke: „Das wird eine großartige Geschichte für mein Protokoll.“